Was hat nun die schon eingangs erwähnten 27 Männer aus Hiddinghausen bewogen, sich neben den nicht geringen Lasten des Alltags eine weitere Bürde aufzulasten. Die Männer der ersten Stunde, die die Gründung zu Stande brachten und ihre Vorstellungen realisierten, suchten keine Freizeitbeschäftigung und kein Hobby. Allein der Wille, Mitbürgern in Notlagen schnell zu helfen, hat sie bewegt. Es gibt nur ganz wenige Bürgerinitiativen, die so uneigennützige Beweggründe haben. Der Gründungsentschluss und seine Umsetzung nötigen mir Respekt und Hochachtung ab. Wie war es bis zu diesem denkwürdigen 24. Juni 1911?
Bei Schadensfällen, sprich Bränden, die in der damaligen Zeit weit häufiger vorkamen als heute, mussten die Nachbargemeinden um Hilfe angegangen werden.
Im Vorfeld des 50-jährigen Bestehens der Freiwilligen Feuerwehr Hiddinghausen hatte ich die Gelegenheit zu einem ausführlichen Gespräch mit dem Alterskameraden und Mitgründer Heinrich Ostholt sen. Der Kamerad Ostholt berichtete dabei von mehrfachen Gründungsversuchen vor 1911. Die heute hier aufgestellte Handdruckspritze soll aus einem Gründungsversuch stammen und war bei der Gründung vorhanden. Die Mannschaft und die Organisation fehlten also. Dies wurde durch die Gründung ausgeglichen.
Bei den meisten Schadensfällen sollen dann die Feuerwehren aus Sprockhövel und später auch aus Haßlinghausen zur Hilfe gerufen worden sein. Es ist z.B. bekannt, dass am 22. Februar 1899 die Stallungen und die Brennerei Hiby in Hiddinghausen I brannten. Der entstandene Sachschaden betrug 68.000,- Mark. Das Feuer wurde von der Sprockhöveler Feuerwehr bekämpft. Um die Situation noch zu verdeutlichen, möchte ich ein Schreiben des Sprockhöveler Oberbrandmeisters Hummelsiep vom 12. Oktober 1905 an den Amtmann Schmieding zitieren:
Zitat: Herrn Amtmann Schmieding Wohlgeboren Hier.
Gestern Nachmittag gegen 2 Uhr erschien in meiner Abwesenheit ein Bote an meinem Hause mit der Meldung, daß unweit der Grenze zu Nieder-Stüter in dem Wohnhause des Berginvaliden Heinrich Hill Feuer ausgebrochen sei und bat mit der Feuerwehr sofort nach dort kommen zu wollen.
Mein Buchhalter, Herr Maurer, schickte sofort meinen 13 ½-jährigen Sohn Artur zum Küster Niedergethmann mit dem Ersuchen die Sturmglocke zu läuten. Mittlerweile fuhr Herr Maurer zum Hornisten Röllinghof und avisierte diesen. Bei seiner Zurückkunft wurde noch nicht geläutet und er lief dann selbst zur Wohnung des Küsters und ersuchte dort nochmals um Sturmläuten.
Die Frau des Küsters sagte ihm, der Pastor, Herr von Martitz, hätte es verboten, bei Bränden in Nachbargemeinden die Sturmglocke zu läuten. Es sollten bei Bränden in auswärtigen Gemeinden die Eingesessenen nicht beunruhigt werden. Die Frau hat dann ihren erwachsenen Sohn zum Pastorat gesandt um die Erlaubnis einzuholen. Es muss aber diese nicht erteilt sein, denn geläutet wurde nicht.
Bei unseren örtlichen Verhältnissen ist es nun unbedingt erforderlich, dass bei Bränden außer den Hornsignalen, auch wie von altersher üblich, die Sturmglocke geläutet wird; oder es muss irgend ein anderes Alarmsignal geschaffen werden.
Ich bitte Eueren Wohlgeboren nochmals dringend, veranlassen zu wollen, dass in jedem Fall der Küster zum sofortigen Sturmläuten verpflichtet wird, oder Sorge zu tragen, dass ein sonstiges den örtlichen Verhältnissen angepasstes Feuerlärmsignal geschaffen wird. Die Wehr ist sonst nicht in der Lage, ihren freiwillig übernommenen Feuerlöschpflichten nachkommen zu können.
Hochachtend Hummelsiep Oberbrandmeister
Zitatende
Wenn man sich diesen Fall vor Augen führt, werden die enormen Schwierigkeiten und Probleme deutlich.
Da ist zunächst die Nachrichtenübermittlung an die Alarmstelle. Selbst wenn diese schon telefonisch erfolgen konnte, ging es von Hiddinghausen nach Sprockhövel nur über die Handvermittlung im Fernamt Gevelsberg. Das konnte dauern!
Dann erfolgte die Alarmierung mittels Horn und / oder Glocke, dann zu Fuß, im günstigsten Fall per Fahrrad oder Pferd zum Spritzenhaus. Dort hieß es anspannen dann über mehrere Kilometer auf teilweise unbefestigten Wegen bei jeder Tages- und Jahreszeit zur Einsatzstelle. Hier kann jeder leicht nachvollziehen, dass häufig nur noch Asche an der Einsatzstelle vorgefunden wurde.
Vor diesem Hintergrund erscheint das Streben der Hiddinghauser auch hier autark zu werden, verständlich.
Wie schon berichtet, war eine Handdruckspritze vorhanden, die übernommen wurde. Die persönliche Ausrüstung und Uniformen hatte zunächst jeder Feuerwehrmann aus der eigenen Tasche zu bestreiten. Auf Grund der beschriebenen Verhältnisse muss angenommen werden, dass dies nicht jedem Feuerwehrmann leicht fällt.
Ein Vorstand wurde gewählt, der Beitritt zu Kreis- und Provinzialverband beschlossen.